# Merit-Order-Analyse 2024: Dunkelflaute und Marktmanipulation (Kapitel 1)
- **Extreme Preisspitzen**: Während der Dunkelflauten im November und Dezember 2024 erreichten die Strompreise mit bis zu 940€/MWh extreme Höhen – weit über dem Jahresdurchschnitt von 77 €/MWh.
- **Marktmacht einzelner Akteure**: Die geringe Einspeisung von Wind- und Solarstrom führte dazu, dass konventionelle Kraftwerke ihre Position zur Preisgestaltung strategisch ausnutzen konnten.
- **Auffällige Schwankungen bei Gaskraftwerken**: Das Angebot an Gaskraftwerksleistung variierte stark – von einem Rückgang um 46 % in Niedrigpreisphasen auf eine Steigerung um 131 % in Hochpreisphasen.
- **Strategisches Verhalten bei Pumpspeicherkraftwerken**: Eine überdurchschnittliche Einspeisung in Niedrigpreisphasen und ein drastischer Rückgang in Hochpreisphasen deuten auf gezielte Preismanipulationen hin.
- **Merit-Order unter Druck**: Der zentrale Preisbildungsmechanismus zeigt in Engpasssituationen deutliche Schwächen, was auf systematische Verhaltensmuster einzelner Akteure hinweist.
- **Potenzielle Marktmanipulationen**: Die Analyse deutet darauf hin, dass das Verhalten einzelner Marktteilnehmer zu künstlicher Verknappung und überhöhten Preisen führte.
- **Handlungsempfehlungen erforderlich**: Es besteht dringender Bedarf, Markttransparenz zu erhöhen und die Resilienz des Strommarkts durch gezielte regulatorische Maßnahmen zu stärken.
- **Zukunft der Flexibilität**: Flexibilitätsoptionen wie Batteriespeicher und grenzüberschreitender Stromhandel könnten eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung des Marktes spielen.
Essay auf Anfrage bei [STROMDAO GmbH](https://stromdao.de/kontakt.html).
## Preisanomalien und strategisches Verhalten im deutschen Strommarkt
### Einleitung: Die Rolle der Merit-Order im Energiemarkt
Die Mitteilung der Bundesnetzagentur vom [13. Dezember 2024](https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Aktuelles/Strompreis/start.html) zu auffälligen Preismustern während der Dunkelflauten im November und Dezember hat die Debatte über mögliche Marktmanipulationen im deutschen Strommarkt neu entfacht (vergl. [Tagesschau.de](https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/strom-spotmarkt-preis-erneuerbare-energien-kraftwerke-dunkelflaute-100.html)). Insbesondere wurden extreme Preisspitzen von bis zu 940 €/MWh gemeldet – ein Wert, der den Jahresdurchschnitt von 77 €/MWh bei weitem übersteigt und nicht ausschließlich durch fundamentale Marktfaktoren erklärbar erscheint.
Dunkelflauten – Phasen mit minimaler Wind- und Solarstromerzeugung – stellen den deutschen Strommarkt vor erhebliche Herausforderungen (vergl. [Stromhaltig - Nachlese zum 06. November 2024](https://stromhaltig.de/posts/nachlese-zum-06-november-2024-was-ist-eine-dunkelflaute/). In diesen Situationen sind konventionelle Kraftwerke gezwungen, die ausgefallene erneuerbare Erzeugung zu kompensieren. Diese Konstellation eröffnet einzelnen Marktteilnehmern die Möglichkeit, durch strategisches Verhalten Marktmacht auszuüben und die Preise zu beeinflussen.
### Auffällige Muster in der Merit-Order
#### Schwankungen bei Gaskraftwerken
Eine detaillierte Analyse der Merit-Order für das Jahr 2024 zeigt markante Abweichungen vom üblichen Marktverhalten während der Dunkelflauten im Spätherbst und Winter. Besonders auffällig waren die Schwankungen in der Einsatzbereitschaft von Gaskraftwerken:
- **Niedrigpreisphasen (< 25 €/MWh)**: Das durchschnittlich angebotene Leistungsvolumen sank mit 1.740 MW um 46 % unter das Jahresmittel von 3.211 MW.
- **Hochpreisphasen (> 200 €/MWh)**: Die Leistung stieg auf bis zu 7.411 MW – eine Zunahme um 131 % im Vergleich zum Jahresdurchschnitt.
Ein ähnliches, wenn auch weniger ausgeprägtes Verhalten wurde bei Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken festgestellt. Zeitweise waren Biomassekraftwerke die erzeugungsstärkste Erzeugung aus Erneuerbaren Energieträgern (vergl. [Argrarheute.de](https://www.agrarheute.com/energie/strom/strompreise-fuer-11-stunden-negativ-dunkelflaute-vorbei-stromkunden-atmen-629230))
Die Merit-Order, die grundsätzlich eine effiziente Preisbildung nach dem Grenzkostenprinzip sicherstellen soll, zeigte in diesen Knappheitssituationen klare Anzeichen strategischen Bieterverhaltens. Insgesamt wurden in den Wint,50ermonaten 430 Stunden mit Preisen über 200 €/MWh registriert – fast das Dreifache des Jahresdurchschnitts.
#### Verhalten von Pumpspeicherkraftwerken
Besonders bemerkenswert war das Verhalten der Pumpspeicherkraftwerke:
- In Niedrigpreisphasen unter 25 €/MWh wurde eine durchschnittliche Erzeugung von 1.814 MW gemessen – eine Steigerung um 149 % im Vergleich zum Jahresmittel von 729 MW.
- In Hochpreisphasen über 150 €/MWh fiel die Erzeugung hingegen auf 41 MW (-94 %).
Dieses Verhalten könnte darauf hindeuten, dass Betreiber strategisch Kapazitäten in Hochpreisphasen zurückgehalten haben, um die Preise weiter zu treiben.
### Zielsetzung der Analyse
Die vorliegende Untersuchung geht diesen Anomalien auf den Grund und beleuchtet die wirtschaftlichen und technischen Hintergründe systematisch. Auf Basis stündlicher Erzeugungs- und Preisdaten werden die zentralen Fragestellungen wie folgt adressiert:
- **Detaillierte Analyse des Angebotsverhaltens und der Preisbildung**, insbesondere in Engpasssituationen.
- **Identifikation verdächtiger Verhaltensmuster** einzelner Technologien und Akteure.
- **Bewertung potenzieller Marktmanipulationen** unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit.
- **Ableitung von Handlungsempfehlungen** für Regulierungsbehörden und die Weiterentwicklung des Marktdesigns.
### Bedeutung für den Energiemarkt
#### Markttransparenz und Versorgungssicherheit
Die Ergebnisse dieser Analyse tragen dazu bei, das Verständnis für Preisanomalien im deutschen Strommarkt zu vertiefen und Ansatzpunkte für die Vermeidung strategischen Verhaltens zu identifizieren. Angesichts der zentralen Rolle der Merit-Order im Strommarkt ist eine solche Untersuchung unerlässlich, um Markttransparenz und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
#### Zukunft der Flexibilitätsoptionen
Gleichzeitig zeigt sich, dass die wachsende Bedeutung von Flexibilitätsoptionen wie Batteriespeichern und Demand-Side-Management-Maßnahmen zusätzlich untersucht werden muss, um ihre Rolle in der Stabilisierung von Preis- und Erzeugungsmustern zu verstehen. Eine Veränderung des Marktdesigns könnte notwendig sein, um strategisches Verhalten weiter zu erschweren und Anreize für eine nachhaltige Nutzung von Kapazitäten zu schaffen.
#### Internationale Perspektiven
Ein zentraler Aspekt der Untersuchung ist auch die Bedeutung von internationaler Marktkopplung und grenzüberschreitendem Stromhandel. Diese Mechanismen könnten die Preisdynamik beeinflussen und dazu beitragen, die Auswirkungen von Engpasssituationen abzumildern. Hier sind jedoch weitere Analysen erforderlich, um deren Effektivität in der Praxis zu bewerten.
### tl;dr
In den kommenden Beiträgen werden wir die Erkenntnisse aus der Datenanalyse vertiefen und in den energiewirtschaftlichen Kontext einordnen. Die Diskussion soll nicht nur zur Klärung der aktuellen Vorfälle beitragen, sondern auch Denkanstöße für ein robusteres Marktdesign liefern. Darüber hinaus werden spezifische Handlungsempfehlungen für Marktteilnehmer und politische Entscheidungsträger erarbeitet, um die Resilienz des Energiemarkts zu erhöhen.
Essay auf Anfrage bei [STROMDAO GmbH](https://stromdao.de/kontakt.html).